ÜBER KURZ ODER LANG

Ich glaube, wir leben von Phase zu Phase, von Kapitel zu Kapitel. So entwickeln sich unsere Leben. Jedes Kapitel hat etwas, was wir brauchen, und jedem Kapital fehlt etwas, was wir brauchen.

Wir können immer nur nehmen und genießen, was das Leben uns zum jeweiligen Zeitpunkt anbietet. Manchmal hält es lang, vielleicht sogar bis zum Lebensende kurz oder lang, aber manchmal hält es nur bis zu der nächsten Wendung oder bis zum nächsten Seitenwechsel.

Aber trotzdem wird auch dieses zeitweilig tief befriedigen auf seiner eigenen Art und Weise über kurz oder lang. Alles tut kurz gut. Oder auch lang. Wir erleben, wir lernen, wir verändern uns, oder wir werden verändert, ob wir es wollen oder nicht, oder merken oder nicht, über kurz oder lang.

Che Chidi Chukwumerije

FANG AN

Anfang ist Ende -
Mitte ist Wendepunkt -
Beendet weil es begann -
Verändert während es zerrann -
Was Du nicht beenden willst
fang nicht erst an -
Aber was Du nicht bereuen willst
lass nicht ungetan.
Fang einfach an mit Deinem Schicksal;
Alles andere ist eh und wirklich egal.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung

SPÄTLING DER VERINNERLICHUNG

Von manchen Reisen kehrt man nie zurück.
Es kommt jemand zurück, doch nicht der, der ging.
In Deinen Augen Trauer, Wunder oder Glück,
denn die Blätter sind gefallen. Es ist der Spätling.
Er ist herb, herber, Herbst.
Er entblößt, er macht kalt, er schmerzt.
Er befreit vom Gewicht der Masken und Erinnerung -
Tiefer als Erinnerung ist die Verinnerlichung.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung

WEITER!

Wir sind Geist
Wir gehen immer weiter
Wir schütteln Altes ab
Wir gehen immer weiter
Ob jung oder ergreist
Egal, wir gehen weiter
Ob vor oder nach dem Grab
Einfach weiter, ständig weiter!

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung

EIN ENDE NAHT

Es ist jedes Jahr lustig
zu beobachten wie tückisch
der Sommer unter dem Anschein
noch eine Weile da zu sein
sich langsam zurück zieht
der Tag täglich früher flieht
die nachdenkliche Kühle beginnt
sich zu melden, das Herz besinnt
sich häufiger seine Sterblichkeit
und ahnt seiner Unsterblichkeit.
Noch ein bisschen Sommer und Spaß
bald kommt Herbst, Reife und Gravitas
zuerst bunt, dann nackt und blass.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung

BITTE NICHT WENDEN

So wie von Blatt zu Blatt
ein Buch sich wenden kann,
so erwarte nie im Laufe der Zeit
dieselbe Frau, denselben Mann,
den Du in der Vergangenheit kanntest
doch Dir unbekannt nie wirklich erkanntest,
triffst Du ihn oder sie wieder irgendwann.

Der Mensch ist ein Blatt,
das diese Merkmale hat:
- 1. Er hat zwei Seiten
und 2. er wird sich wenden,
zu Zeiten, wie die Gezeiten.
Er ist ein Spielball zwischen zwei Händen,
sich selbst gegenüber: Treue und Verrat.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung

ZUM GLÜCKE

Langsam geht das Alte zur Neige.
Was wird das Neue bringen?
Findest Du nie heraus, bist Du feige.
Das Leben will Dich zum Glücke zwingen,
Dein Glück musst Du selbst erringen.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung

LIEBE VERÄNDERT

Veränderung
bleibt unverändert
in ihrer Rolle als Veränderung
ohne je verändert zu werden.

Liebe bleibt
aber tut auf einmal weh
bis sie ausgelebt wird…
dann tut sich nicht mehr weh
- aber sie bleibt.

Sie bleibt
als Erinnerung
als tote Stille, dort
wo einst Schmetterlinge
herum flogen in Deinem Bauch
bevor mit der Zeit alles anders wurde.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung

DIE LETZTEN TAGE DES JAHRES

Fünf Tage sind viel
Denk nicht, daß es schon vorbei ist
Zeit ist nur ein Bei-spiel
Abgelaufen ist noch nicht die Frist

Dein Jahr könnte noch urplötzlich
eine neue Wendung erhalten.
Letzte Momente tun bekanntlich
Überraschungen enthalten.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

JAHRE WIE JAHRZEHNTE

Die Jahre ziehen vorbei
als wären sie Jahrzehnte
Zwischen jeden zwei
liegt eine ausgedehnte
Zeit großer Umwälzungen,
einschneidender Erlebnisse,
sprunghafter Veränderungen,
paradigmenwechselnder Erkenntnisse.

Von Jahr zu Jahr zu Jahr
ist der, der ich letztes Jahr war,
ferne Geschichte, einmal es war.
Bald wird wieder ein neuer Januar.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung