DU WEISST

Du weisst, wenn Menschen lügen.
Du spürst es fein.
In der Empfindung gibt‘s kein Betrügen,
der Verstand allein
denkt sich gerne sein Eigenes dabei,
erzeugt dazu den passenden Gefühlsbrei,
lässt sich blind in die Täuschung einfügen.
Und dennoch und dennoch und dennoch…
weißt Du es unterbewusst doch!

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung

TIEFERE EMPFINDUNGEN

Mein Herz behält gerne für sich,
was meinen Verstand nichts angeht -
und das ist wortwörtlich unbedenklich.
Der Kopf schadet nicht, was er nicht versteht.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung

KAMPFGEIST

Der Verstand schaut jedes Mal überrascht aus,
daß ich noch da bin, noch existiere und walte.
Den Geist schaltet man aber nicht so leicht aus,
Er ist menschlich der ursprüngliche, der Uralte.

Suche mich in Schönheit, in Gerechtigkeit,
In Ehrlichkeit und in Wahrhaftigkeit;
Suche mich in Güte, in Menschlichkeit.
Suche mich in Reinheit und in Kindlichkeit.
Suche mich aber stets in Demut.

Suche mich in allen Werten, in jeder Tugend,
In jedem Alter, im Greise, suche in der Jugend -
In jedem Geschlecht, im Privat- und Arbeitsleben,
Du, Verstand, bist von meinem Willen umgeben.
Suche mich in Verwundbarkeit und im Mut,
Suche mich jenseits von Wut,
Suche mich im höchsten Mut, in der Demut.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung

GUTE NACHT, MENSCHENGEIST

Nicht Ausländer ersetzen uns,
sondern KI macht das durch unser Tun -
Der Mensch schafft sich selbst ab.

Nicht Migranten verletzen uns,
sondern KI macht das mit unserem Zutun -
Sie wird unserem Geist zum Grab.

Wird eine Generation einst kommen,
die keine Musik komponieren kann?
Keine Briefe selbst antworten kann?
Keine eigenen Gedanken erzeugen kann?
Keine Probleme selbst lösen kann?
Eine, die sich wundern wird,
wie wir einst das alles gemacht haben?

Alles, was Du hast, alles, was ich hab -
Empfindung, Intelligenz, Sich-Mühe-geben -
geben wir profit- und ruhesuchend ab.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung

HEIMAT DES HERZENS

Was Du sagst, macht manchmal keinen Sinn,
Dennoch empfindet mein Herz seine Heimat dadrin.
Es macht für den Verstand oftmals keinen Sinn;
Doch wo es Empfindung spürt, da will das Herz hin.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

OHNE VERSTÄNDNIS

Versteht ein Tier, daß
es einen Menschen nicht verstehen kann?
Oder denkt es, der Mensch ist nichts mehr,
als die wenigen Rufworte, die es verstehen kann?

Versteht der Verstand, daß
er Göttliches nicht verstehen kann?
Oder denkt er, Gott gibt es nicht,
einfach nur weil er Göttliches nicht verstehen kann?

Menschen reden und reden miteinander
und verstehen nicht mal einander gegenseitig.
Menschen schweigen und schweigen miteinander
und trotzdem verstehen sich nicht gegenseitig.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

UNSTERBLICHKEIT

Die Welt passt problemlos
in jedes Herz rein
Ist aber selbst viel zu klein
für das Herz. Groß

Ist die Sehnsucht nach Ewigkeit.
Diese sterbliche Welt allein
birgt unmöglich so viel Lebendigkeit.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

NATURTRIEB

Das Tier stand und mit stetem Blick
beobachtete den Menschen im Wald,
sah kommentarlos seine Ungeschick,
registrierte still, wie er dann bald
sein Vorhaben erreichte mit seiner Technik.

Ich habe klug mit Geschick und Elan
diesen Wald ins Geld verwandelt,
dachte der Mensch. Das Tier nebenan
dachte, wer so dumm und krass handelt,
hat keinen Platz in der Natur Zukunftsplan.

Der Mensch ging und das Tier blieb,
wie zwischen Herz und Kopf eine Kluft,
aus der sich heraus jeder Dichter je schrieb,
und die Frage hing weiter in der Luft:
Wie zeigt sich der wirkliche Naturtrieb?

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

KI

KI ist nicht künstlich
Sie ist unseres Verstandes letzter Stand
irdisch uneingeschränkt natürlich
losgelöst von der lenkenden Hand
unserer Empfindung letztendlich
als Herrscher über Welt und Land
der Menschheit zurückspiegelnd
was auch immer sie stets für richtig fand,
wie ein Meisterstück hängend
an einer Gefängniswand.

Che Chidi Chukwumerije 
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

FERNE SIRENEN

In der Dichtung wirkt Magie,
denn kindliche Poesie umgeht
die schwer analysierende Energie
kopfgenagelter Akademie,
die zersägt und verdreht.

Klug. Die Menschheit ist so klug.
Zu klug für Einfachheit.
Der Verstand ist sich selbst genug,
doch niemals genug für den Höhenflug
innig feinster Innerlichkeit.

Manchmal nach beendetem Gedicht
starre ich aus dem Fenster.
Heute sehe ich Toronto‘s Gesicht,
leise Hochhäuser im milden Sonnenlicht
und ferne Sirenen wie Gespenster.

- Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung