SCHICKSALSZÜGE

Zwei Züge stehen neben einander
auf unterschiedlichen Gleisen
Unterhalten sich eng miteinander
bis sie in getrennte Richtungen abreisen.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung

FREI VERBUNDEN

Halte mich
Damit ich weg gehen kann
Lasse mich
los, damit ich bleiben kann

Denn in der Ferne
möchte ich mich mit Dir verbunden wissen
Und in der Nähe
möchte ich meine Freiheit aber nicht missen.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung

DEIN FLUGBEGLEITER

Sollen wir fliegen?
Fliegen wohin?
Da, wo wir uns nicht verbiegen,
dahin.
Ich fliege mit,
Dein Flugbegleiter -
erklimmen zusammen Schritt für Schritt
die Himmelsleiter.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

DIE MENGE MACHT‘S

Die Bäume sind der Wald,
Nicht jeder für sich allein,
Sondern alle im Zusammenhalt,
Groß und klein.

Die Menschen sind die Menschheit,
Nicht jeder für sich allein -
Sondern wir alle als Gesamtheit.
Einer allein ist noch kein Verein.

Die Gefühle sind die Gesellschaft -
Die um Hilfe flehende Misskommunikation,
Die Sehnsucht nach Freundschaft,
Das Gesetz der Reciprocation.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

ZUSAMMEN ALLEIN

Zusammen allein
Allein zusammen
Allein kann viel sein
Aber alles kann zusammen
Allein.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

BUND DER VIELFALT

Ich kann nicht mehr
Und genau hier
Setzt Du an, ab hier
Fängst Du an, woher
Du diese Kraft hast
Ist mir unbekannt.

Vermutlich ist das der Grund
Warum Menschen unterschiedlich sind:
Damit wir durch Menschenbund
Uns gegenseitig lindern, wo wir wund sind
Und zusammen das erreichen
Was dem Einzelnen droht zu entweichen.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

SCHMERZ ALS SCHMERZMITTEL

Ich vermisse Dich
so sehr, daß
die Sehnsucht mir genügt
Sie ernährt mich Tag und Nacht
so daß die Wunde Deiner Abwesenheit
längst geheilt wurde durch meine
immer anwesende Sehnsucht nach Dir.

Stell Dir vor,
ein Tag ginge vorbei, in dem
ich an Dich kein einziges Mal dachte…
Das wäre wahrlich der traurigste Tag meines Lebens
schlimmer noch als Deine Abwesenheit
schlimmer noch als mein Schmerz
schlimmer noch als Dein Tod.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

WO WAREN WIR

Wo waren wir
als wir nicht da waren
während der Zeit
als wir zusammen waren

Wir lebten zusammen
und waren die ganze Zeit getrennt
Und die Welt war nicht groß genug
um unserer Trennung Raum zu geben

Doch heute sind wir
eine Gesellschaft, eine Nation
leben zusammen in einem Land
und reden immer noch nicht miteinander

Oder reden über tausend Dinge
und schweigen über tausendundeine
Nur wenn wir küssen, dann
tauschen unsere Zungen die Wahrheit.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

DU BIST MEIN TAG

Als ich Dich verlassen wollte
Blieb der Tag stehen
Und er hinderte mich am Weitergehen
Denn er verweigerte mir, was ich wollte
Ich wollte die Nacht.

Ich war müde und konnte mich nicht ausruhen
Denn ich fand keine Nacht
Ich war einsam, konnte mich aber nicht binden
Denn ich war innerlich noch nicht getrennt
Und fand keine Nacht.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

AUSGANGSSPERRE

Als ob wir alle Tasten des Klaviers
entfernt hätten und weggesperrt
jede für sich alleine, einsam, schweigend
ungehört.

Wir leben in einer Zeit
die vor allem uns eines lehrt:
zu schätzen, wie wichtig das „Wir“ ist.
denn ohne gibt es kein Konzert.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung
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