Die Nacht erzählt mir eine Geschichte die ich nicht verstehe dennoch höre ich gebannt verträumt zu es ist eine gute Nachtgeschichte über einen rieselnden Bach der lief und lief und murmelte und gurgelte und beim Zuhören fließe ich mit und schlafe langsam ein. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
über Wanderung und Bewegung
MENSCHEN VERBINDEN
Wie viele Meilen Musst Du gehen, fahren, fliegen Um nirgendwo anzukommen? Wie viele Fremdsprachen Musst Du lernen, sprechen, schreiben Um ungehört zu bleiben? Wie viele Menschen Musst Du kennen, schätzen, lieben Um noch einsamer zu werden? Distanz ist eine Illusion. Nähe auch. Sprachen sind bloß eine Täuschung Menschen können alles sein und nichts. Menschen sind ein Lotteriespiel Daß Du verlieren oder gewinnen kannst Aber wenn Du gewinnst, bist Du angekommen. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
WIE DU REIST
Die S-bahn ist voll mit Menschen Und voll ohne Menschen Leer mit Menschen Und leer ohne Menschen Es kommt darauf an, wo Du her kommst Wie Du reist Und wo Du im Leben hin willst. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
HEIMAT ERDE
Wie kann ein Planet So groß und so klein sein Gleichzeitig? Du kannst überall hinreisen Bist nirgendwo zu Hause Die Welt umkreisen Machst nirgendwo eine Pause Lang genug um anzukommen Denn dafür reicht eine Leben nicht Anscheinend. Und wenn Du zu Deinem Anfang wieder kehrst Reicht auch dort den Rest Deines Lebens nicht mehr Um wieder anzukommen. Mutter Erde, die alte Reisende, Hat aus uns allen Heimatlose gemacht. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
DIE SONNE STEHT MÜDE AUF
Die Sonne macht die Augen auf Ist sie heute gut drauf? Schwer lesbar, wie ich meine Die Sonne dreht sich zweimal um Sieht sich schweigend um Von ihren Gedanken sehe ich keine Die Sonne steht langsam auf Geht müde auf Stellt sich wackelig auf die Beine Die Sonne schickt einen Gruß herum Stell sich erneut auf stumm Und geht ihren Weg wieder alleine. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
GEDANKENFLUG
Wir standen auf den Wolken Die Erde ist so klein Denke ich mir während wir laufen Langsamen Schrittes hoch über Länder Ich habe nicht mal meinen Gedanken Zu Ende gedacht Schon sind wir am Zielflughafen gelandet. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
BRÜDERLEIN
Heute ist wieder der Tag die Welt nicht zu hören denn ich will Dich wieder hören so wie an unserem letzten Tag Ernster wie sonst war Deine Stimme kurz Dein Lächeln Ich schenkte Dir zurück meines Herzens Lächeln doch warum verlor ich meine Stimme? Ich wollte Dich bitten nicht zu gehen Ich wollte Dich bitten aufzupassen Doch, Er wird schon auf sich aufpassen, sagte ich mir und ließ Dich gehen Und bis heute warte ich. Du bist ein Adler, ein Sucher, ein Finder Ein Reisender, ein Mensch, ein Empfinder und hoffnungsvoll warte ich. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
HOCHFAHREN
Langsam schoben wir die Berge auseinander Drückten das Tal fest entschlossen zum Boden Züngelten uns enge Bergstrassen hoch, entzogen Uns Schichten von Geschichten nacheinander. Dann kamen wir an, oben Am höchsten Punkt des Berges Füreinander da, verliebt ineinander. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
JEDES MAL ANDERS
Niemand kehrt aus einer Reise unverändert zurück Nicht Mann oder Frau, Mädchen oder Jüngling Nicht Erinnerungen an Glück oder an Unglück Nicht Gedanken, Versprechen oder ein Beweisstück Und fürwahr auch nicht der Frühling. Irgendwas an ihm ist anders dieses Jahr Er kommt nicht wie sonst wie ein Eindringling Sondern in kleinen Schüben wächst wie Haar Reifer, nachdenklicher, wissender. Fürwahr: Verändert hat sich erneut der Frühling. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
DER DRANG
Wenn ich morgens aufstehe ist alles, was ich will, der Drang - der Drang zum MACHEN. Wehe, wenn der fehlt. Schwanengesang. Nicht Geld, nicht Frau, nicht Kinder, nicht Spaß, nicht Arbeit, nicht mal Lebensziel ungenau - Allein „Drang“ ist Lebendigkeit. Drang, frag mich nicht wonach Der Drang überlässt mir die Wahl - Er erfüllt und belebt mich einfach, göttliche Mahlzeit, Rätsel, Gral. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung