KINDERFILME

Alles ist Deine Erinnerung. Auch die Kinderfilme Deiner kleinen Kinder, die Du damals mit ihnen geschaut hast, als das Elternteil in Dir selbst auch noch ein Kind war. Auch diese Filme werden Dich eines Tages weich und nostalgisch stimmen, wenn Deine Kinder keine Kinder mehr sind und Erinnerungen alles sind, was Ihr noch an das habt, was jetzt für immer vergangen ist.

Aus dem Zimmer schlich leise eine Filmmusik zu mir, die mich mit einem Schlag in die Vergangenheit versetzte. Überrascht ging ich hinein und sah meine 13-jährige und meinen 9-jährigen genüsslich mit ihrer Mutter „Tinkerbell“ sich anschauend. Tinkerbell?!?!, fragte ich sie verblüfft. Wieso? Sie schüttelten lächelnd mit den Schultern. Einfach so. Wir haben uns daran erinnert und hatten Lust, ihn mal wieder zu gucken.

Und ich habe mich ebenso erinnert. Ich sah eine 7-jährige und einen 3-jährigen auf einem enormen Sofa, liegend zwischen meiner Frau und mir, während wir alle den damaligen Lieblingsfilm der Kinder uns anschauten. Es war eine lange Zeitlang unser fast tägliches Familienritual.

Wo ist diese Zeit hin? So viel kann in sieben Jahren passieren. Sehr vieles hat sich verändert. Ich sehe nicht mal dasselbe aus wie damals und habe gefühlt aus einem langen Traum geschlüpft. In ein paar Wochen werden die Kinder 14 und 10 und sind mittlerweile sehr eigenständig geworden, anders. Ihre Mutter auch, wir haben uns alle stark weiterentwickelt im (Innen)leben. Ein Kapitel ist endgültig vorüber.

Und ich erkannte, daß nicht allein die Anzahl an Jahren ein Heute von einem Gestern trennt kann. Auch innerhalb weniger Jahren kann eine neue Welt entstehen, wenn Natur oder Erfahrungen Menschen verändern.

Nur eines verändert sich nicht, der innerlich flüsternde Dichter, der mir sagt: Auch heute, so banal und normal er wirkt, auch dieser heutige Tag der Erinnerung wird morgen wieder Deine nostalgische
Erinnerung sein. Nimm ihn ernst. Erlebe ihn bewusst. Speichere ihn mit Liebe und Dankbarkeit in Deinem Geiste auf. Er könnte morgen Dein nächster Kinderfilm sein.

Che Chidi Chukwumerije

FAMILIENFRIEDEN

Brüder kriegen gegen und töten einander -
so kommt es mir vor. Die selben Gesichter.
Denn bis der Krieg anfing, dachte ich immer,
Russen und Ukrainer seien Geschwister.

Was bedeutet Familie noch?, frage ich mich.
Bevor er starb, sagte mir mein Vater, leise:
Wenn Ihr alles verliert außer Einheit und Frieden,
habt Ihr alles Notwendige für die Reise.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

SEHNSUCHT NACH DEM VATER

Ein Kind wächst und siehe, da wachsen auch
in seiner Seele ohne Antworten Fragen viele:
Andere haben Väter. Ich etwa nicht?
Fragen Gedanken, Worte, Empfindungen, Gefühle.

Wo kommt er her? Wie heißt er wirklich?
Warum bleibt er denn fern? So fern.
In diesem Menschenherz wohnt ewig ein Kind
und eine Frage: Hat er mich nicht gern?

Was ist ein Land, das einen Berg nicht tragen kann?
Was ist ein Herz, das Schmerz nicht ertragen kann?
Was ist ein Mann, der Verantwortung nicht austragen kann?
Was ist eine Reise, die Hindernisse nicht vertragen kann?

Das habe ich nie verstanden,
daß ein Mann in ein fremdes Land reist,
dort Kinder zeugt, nur um sie zu verlassen.
Daß Du Dich einen Mann nennst, ist dreist.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung