Wie viele Meilen Musst Du gehen, fahren, fliegen Um nirgendwo anzukommen? Wie viele Fremdsprachen Musst Du lernen, sprechen, schreiben Um ungehört zu bleiben? Wie viele Menschen Musst Du kennen, schätzen, lieben Um noch einsamer zu werden? Distanz ist eine Illusion. Nähe auch. Sprachen sind bloß eine Täuschung Menschen können alles sein und nichts. Menschen sind ein Lotteriespiel Daß Du verlieren oder gewinnen kannst Aber wenn Du gewinnst, bist Du angekommen. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
Ankunft
LEBENDIG
Geben und geben
Ohne zu empfangen
Dennoch weiter geben
Laufen laufen
Ohne anzukommen
Deshalb weiterlaufen
Schmerz ist ein guter Ersatz für Freude
Hinterfrag nicht immer Deinen Weg
Schmerz ist ein guter Ersatz für Freude.
Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
DIE LANGE REISE
Wichtiger als der Ort an dem Du lebst, ist der Ort, der in Dir lebt. Die meisten Migranten kommen niemals an - Wer hat das noch nicht erlebt?: Du besuchst einen Einwanderer Zuhause, findest dort eine Hülle dessen Geist noch auf dem Weg klebt. Und sie warten und warten auf die Familienzusammenführung mit sich selbst. Unvollendete Reime. Fahrzeuge, Boote, Flugzeuge sind alle viel zu schnell - Ans Ziel bringen Dich alleine Deine eigenen Beine. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
WECHSELSTROM
Ich überquerte einen Ozean aus Traum und Schmerz;
Ich überquerte einen Ozean aus Spaß und Scherz;
Ich suchte Frieden, doch – Ihr ahnt es –
Auch die neue Heimat brach mir das Herz.
Egal, wo wir sind, die Arbeit bleibt das Gleiche;
Zielort Freude: Umstellung der Weiche
Kontinuierlich flüchtend, kontinuierlich bleibend wie eine
Stehende Welle. Gefangen in der Seiche.
Manchmal kommt das Neue in altbekannter Form;
Manchmal kommt das Altbekannte in neuer Form.
Wir blicken stetig und mutig nach Vorn –
Veränderung ist für den Menschengeist die uralte Norm.
In uns ist – es ist kein Klischee – Magie
Wir reden nicht, wir tauschen gegenseitig Energie
Das Erdenleben ab und wann neu denken macht Dich
Zum normalen Menschen, aka zum Genie.
– Che Chidi Chukwumerije</em>
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
FRANKFURT
Lang trug ich meine Heimat
wie eine ungeöffnete Reisetasche
auf meinem Rücken
Unbequem und unbequem machend
Stach ich in jeder Menschenmenge heraus
Denn ich wollte mich nie bücken
Schmerz ist ein Auseinandersetzen mit Freude
Einsamkeit ein Ringen mit Gesellschaft
Davor kann sich kein Ankömmling drücken
Doch auch die Morgendämmerung kommt irgendwann an
und die Stadt, die Dir einst so schwer war,
wird Dich zum Schluß beglücken.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
NEULAND
In den Brillen meiner Mitmenschen
erkenne ich, täglich,
daß ich noch Neuland betrete –
Lange nach dem ich Fuß fasste.
Der überraschte Blick überrascht mich
Der irritierte Blick motiviert mich
Der verwirrte Blick ist klarer als gedacht
Klarer noch als der böswillige Blick.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
DIE FARBEN DER ERDE
Meine Gedanken reisen nach Hause
in die Vergangenheit – Alle, die
mit mir einst die rote Nigerianische Erde
mit ihren nackten peroxidischen Sohlen druckten, die kommen meinen
heimreisenden Gedanken heute Nacht entgegen
und fragen mich, wie es denn ist, dort,
in der Zukunft, in einem Fremdland.
Ich sage ihnen, der Himmel ist blau,
die Sonne ist milder aber es ist die selbe Sonne,
die die äquatoriale Luft entzündete,
und unser Mond lebt auch hier mit mir.
Nur die Erde, die rote Erde, sie fehlt…
Hier ist der Boden braun
und ich bin, nach zehn Jahren, immer noch dabei,
mich daran zu gewöhnen.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
ANKUNFT
Einst warst Du mir fremd, Land
Eine hohe ungefallene Wand
Wenig Herz, viel Hand
Trügerischer Treibsand
Ich hockte am Rand
Und wusste nicht, wovor ich stand:
Wahrem Wesen oder bloßem Gewand.
Doch der Schmerz ist das beste Asyl
Ich empfinde tiefer als mein Gefühl
Lasse los und spiel nur noch mein Spiel
Die Integration war nicht mehr mein Ziel
Nur die Ehrlichkeit macht stabil
Länger dauerte es danach nicht viel
Und die Mauer fiel.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung
DIE LETZTE STUNDE DER NACHT
Jener Moment
kurz bevor Dir die leichte Vorahnung dämmert
der baldigen Ankunft morgendlicher Dämmerung…
Hat die Empfindung einen Geruchssinn?
Wiese rieche ich, wo es keine gibt –
Wieso?
Der Tag ist wie ein Gedanke
der Dich aufsucht und lange heimlich umkreist,
leicht spürbar, bevor er Dich erhellt.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung
WIEDERDAHEIM
Lange Fahrt
Bangen hart
Wangen zart
Fangart der Liebe:
Die Erwartung fächeln.
Klangart der Liebe:
Lautlose Lächeln.
– Che Chidi Chukwumerije
2019: Jahr der deutschen Dichtung
