WIR BEGEGNEN UNS

Wir begegnen uns
Zwischen den Zeilen von Chatgruppen
Überspringen mit jedem Smiley
Eine Fülle von Sätzen, die
Den Punkt nicht treffen -
Worte wollen gehört werden
Nicht nur gelesen
Gesichter wollen gesehen werden
Nicht nur als Smiley vorgetäuscht
Menschen wollen getroffen werden
Äußerlich - und innerlich.
Trennt uns Farbe oder vereint uns Menschentum?
Spaltet uns Kultur oder einigt uns Gesellschaft?
Geschlecht, Kastengeist, Wohlstand,
Behinderung, Orientierung, Bildung,
Glaube. Was glaubst Du? Trennen uns
Tausend Unterschiede oder verbindet uns
Eine gemeinsame Innere Stimme, die
Weder mit Ton noch mit Händen spricht
Und dennoch immer laut ist,
Immer da ist? Zwischen uns.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

SCHWEIGSAM EINSAME MENSCHEN

Schweigsame Blätter
Stadtblumen
Seht Ihr mich nicht, Stadtbaum?

Denn Ihr seid meine Retter.
Ranzoomen.
Versteckt Euch nicht hinten am Saum.

Wie ist das Wetter?
In Stimmen leisester Volumen
Ist auch ein guter Gesprächsanfang im geschlossenen Raum

Augenkontakte sind Sprungbretter
Lächeln sind Brotkrumen
Führen uns Einsame zu unserem Traum.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

OHNE EINMAL

Das innerste
innerlichste
intimste
Eindringen
Wieso geschieht das so oft
ohne einmal einen Kuss
oder Berührung
Nur Worte
und Augen-blicke
die alle Sicherheitskontrollen
mühelos passieren
und Dich erreichen
entwaffnen
besiegen.

Und eine unstillbare
Sehnsucht
hinterlassen
nach dem Unbekannten.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

MORGENLÄCHELN

Die ersten Tagträumer
tauchen tapfer in den tautrunkenen Tag
Auch so früh am Morgen ist es erstaunlich
wie viele Mitreisenden Dir ein müdes Lächeln
zurück schenken, wenn Du mutig
Dein Herz öffnest und jedem Augenkontakt
mit einem vermutlich ebenso müdes Morgenlächeln
verewigst.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

HABEN OHNE SEIN

Du darfst aus meiner Kultur schöpfen
Daraus was Neues machen
Ich werde aus Deiner Kultur Sachen schöpfen
die alt waren, ich werde sie neu machen.

Nicht die Kulturen bilden die Trennlinien
sondern die Ansichten, die behaupten
es gäbe zwischen uns unüberquerbare Linien -
Alle Andersdenkenden tun sie enthaupten.

Ist es so schwer, leicht zu sein?
Ist es so leicht, schwer zu sein?
Besteht unser Sein nur aus Haben
ist alles, was wir haben, nur schweres leeres Sein.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

ZEIT ZUM KENNENLERNEN

Wir werden älter
ohne älter zu werden
als wäre unser Körper
süchtiger auf Sterben
als wir selbst.

Plötzlich ist mein Körper
nicht mehr meiner
sondern ein kalter Fremder.
Sein Weg ist seiner -
und er verwelkt.

Laß uns deshalb schnell
die Zeit nutzen -
uns finden, kennenlernen,
lieben, unterstützen
bevor er wegfällt.

- Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

AUSTAUSCH

Ich traf die Gesellschaft
Während meiner Wanderschaft
Wie Mensch Mensch begegnet
Gegenseitig mißverstanden wir uns
Über Politik, Sitte, Kunst
Schieden mit kühlem Gruß abgesegnet

Nur viel später in der Nacht
Bin ich schlaflos aufgewacht
Geweckt von einem Fremden
Der jetzt meine Seele geworden war
Denn meine war nun weg, und zwar
Wohnt sie im heut getroffnen Fremden.

Che Chidi Chukwumerije
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung

AUF DEN ERSTEN

Du bist reingekommen
Du hast mir in die Augen geschaut
Ich hab Dir in die Augen geschaut
Und ich wusste.

Nur wusste ich nicht
Was ich wusste.
Jedoch wusste ich es.

Und ich wusste, daß ich es wusste.

Und so
Wie Du mich anschautest…
Wusstest Du auch
Daß ich es wusste.

Und ich wusste
Daß Du es wusstest.

Che Chidi Chukwumerije
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung