FREI VERBUNDEN

Halte mich
Damit ich weg gehen kann
Lasse mich
los, damit ich bleiben kann

Denn in der Ferne
möchte ich mich mit Dir verbunden wissen
Und in der Nähe
möchte ich meine Freiheit aber nicht missen.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung

IN DER WEITE

In der Weite
eine Bergspitze
wolkenumschlungen

So entfernt, so entrückt
sie mir scheint, ist sie trotzdem
irgendjemandem Zuhause

Vielleicht einem Vogel
vielleicht jenen Wolken
vielleicht einem Wesenhaften

Vielleicht diesem Gedicht,
diesem Gedanken, dieser
Sehnsucht in mir nach der Weite.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

ÄHNLICH

Du kannst von Weitem kommen
Und Nähe ausstrahlen
Als hättest Du Platz genommen
In mir.

Wer wird meine düsteren Innenseiten
Mit frohen Farben bemalen
Wenn nicht Du, der gekommen ist vom Weiten
Zu mir?

Distanz, ach!, ist so trügerisch.
Trennung, ach!, ist so illusorisch.
Unsere Augen trafen sich…
Krass, dachten wir, wir sind so ähnlich.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

FLUGHAUFEN

Flughaufen.
Die Welt am Laufen.
Die Ferne kann man kaufen,
Nähe nicht.

Ein Haufen Sehnsucht.
In Schlaufen gebannte Flucht.
Wir verkaufen Zuflucht,
Zuhause nicht.

- Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

NÄHE DURCH DISTANZ

Wir sind von Weitem gekommen
wie Gedanken, die kommen und gehen.
Und auch aus der Nähe betrachten wir Euch
mit Augen, die Dinge aus der Ferne sehen.

Distanz lässt sich nicht überbrücken
bloß durch Nähe – …
Sie kommt lediglich nah genug,
damit jeder sie jetzt richtig sähe.

Wer Distanz überwinden will,
muß sich ebenso distanzieren –
Nur wer die Weite tief erlebt hat,
kann die Weite kapieren.

Denn gleich und gleich gesellt sich gern
und Verständnis schafft Verbindung –
Verbindung aber ist wirkliche Nähe,
Ankunft, Anfang, Anbindung.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

NÄHER ALS GEDACHT

Die Ferne tut weh
Doch die Nähe noch mehr
Fernweh ist übertrieben
„Nahweh“ ist schwerer zu ertragen

Was habe ich in der Ferne verloren?
Alles, was uns quält, und heilt,
Alles, was uns einengt, alles, was uns befreit
Es ist alles hier. Hier und jetzt.

Das Fremde weilt nicht in Übersee
Das Eis ist immer der kältere Schnee
Am meisten tut die Nähe weh.
Und die unerfüllte Sehnsucht danach.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

FERNERHIN

Flashback: Auszug aus meinem Interview zum lyrischen Mittwoch 15.
10. Juli, 2013), vor 3 Jahren.

Ich sehe in der Ferne
Eine Linie grüner Bäume
Am anderen Ufer

Einen unklaren Umriss
Nebelumgeben
Eine sagenumwobene ferne Zeit
In der Vergangenheit oder in der Zukunft
Aber nicht in der Gegenwart

Gegenwart ist dieser Tisch
Gegenwart ist das vorbeiziehende Kanu
Gegenwart ist die Lagune, das Ufergras, meine Sehnsucht
Ich kann sie alle tasten, schmecken
Und verstehen

Doch die grünen Träume dort in der Ferne
Sind ungewiss –
Sie sind das Schlummernde in mir…

– Che Chidi Chukwumerije.

Interview zum lyrischen Mittwoch 15.
– beim Sebastian Schmidt von Textbasis.