VON EINEM PUNKT ZUM ANDEREN

Du bewegst Dich weg von mir
nicht wie ein Pfeil geradlinig
sondern wie ein Gedanke torkelnd
und schwankend irrsinnig
von einem Punkt zum anderen
wankend und zugleich starrsinnig
bis Du den Weg wieder zu mir findest
und wir werden endlich einig.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung

SPÜREN UND VERWIRKLICHEN

Wo bist Du,
Gedanke des Morgens?
Was hat der Tag aus Dir gemacht?

Habe ich Dich vergessen oder verinnerlicht?
Entsprang meine Aussicht Deiner Einsicht?
Entsprangst Du selber der Empfindung Licht?
Deine Verwirklichung sei meine Pflicht.

Wo bist Du,
Empfindung des Morgens?
Was hast Du aus dem Tag gemacht?

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

HUNDERT EMPFINDUNGEN

Was ist das,
wenn hundert Empfindungen
mein Herz durchwühlen
und tausend Gedanken
meinen Kopf beschäftigen
und doch am Ende
kein Wort mir über die Lippen kommt.

Du schaust mich an und fragst mich
Was ist los?
Woran denkst Du?
Ich schaue Dich an
Ich ringe lang nach Worten
Und antworte Dir dann, ehrlich…:
„Ach… nichts.“
Nichts, was ich in Worte fassen kann.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

HELFENDE GEDANKEN

Ein Bahnhof nach dem anderen
Erschien in der dunklen Röhre
Wie Lichtblicke auf meinem Gedankengang

Beeindruckender als die Gedanken selbst
War die Tatsache, daß jemand
Diese Lichthöfe gebaut hat mit Absicht
Meinen dunklen Pfad entlang.

Che Chidi Chukwumerije (26.01.2020)
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung 147C4155-1E3B-47C4-8C5E-77D9A0543604

AUSGEDACHT

Ich dachte, seit ich denken kann
Über die Gedanken, und darüber
Daß ich tatsächlich denken kann
Egal worüber

Und da Gedanken das einzige sind
Was wir immer von uns geben
Denken wir im Endeffekt es uns
Selbst aus: ewigen Tod oder Weiterleben

Unsere intimste Umgebung
Schneckenhaus, Haare, Schildplatt
Laub, Blumen, Früchte, der Mensch ist
Heute das bereits beschriebenes Blatt
Von morgen.

Ich weiß, was Du denkst
Du weißt, was ich denke
Nur wissen wir es beide nicht
Weil wir genau dasselbe denken:
Es ist verborgen.

Che Chidi Chukwumerije
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung

FORTFÜHREND

Als mein Bruder
Im Autounfall starb
Quälte mich der Gedanke
Nach seinem letzten bewussten Gedanken.
An was, an wen, woran, hat er zum Schluß gedacht?
Denn er war noch bei Bewusstsein
Als man ihn vom Wrack löste
Und in den Krankenwagen legte
Doch bis sie im Krankenhaus endlich ankamen
War er bereits abgeschieden, und fort.

Es gibt Tage, an denen ich erlebe
Daß die Zeit wirklich still steht
Doch der Mensch, der stets erlebt
Der ist’s, der seine Wege geht.

– Che Chidi Chukwumerije.