LIEBEN OHNE GELIEBT ZU WERDEN

Nachdem sie ihn tötete, verlor er
Die Fähigkeit, sich zu verlieben
– Um so tiefer liebt er nun

Nachdem sie ihn begrub, verlor er
Die Fähigkeit, zu schlafen
– Um so klarer, träumt er nun

Nachdem sie ihn verriet, verlor er
Die Fähigkeit, sich zu schützen
– Um so mehr beschützt er andere nun

Ihr Leben war sein Tod
Sein Tod seine Wiedergeburt
Ihre Liebe war sein fünftes Gebot
Sein Gedankenfluss ohne Furt
Unüberquerbar auf dem Weg zu ihr
Und auf dem Weiterweg weg von ihr.

– Che Chidi Chukwumerije, 04.01.2020
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung

KURZ VOR ENDE

Es war Weihnachten
Wir liebten uns und lachten
Über uns und dachten
Unter uns, was wir machten
Zwischen uns und vollbrachten
War die hohe Kunst
Des Liebens und Lebens

Vergebens.
Es war Weihnachten
Es vertiefte uns, während wir lachten.
Veränderte uns mehr als wir dachten.
Alles, was wir im Endeffekt machten:
Naiv und ahnungslos verbrachten
Wir die letzte Nacht unseres Liebeslebens.

Che Chidi Chukwumerije
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung

QUELLE

Ich weiß nicht
Was ich morgen schreiben werde
Doch daß ich morgen schreiben werde
Das weiß ich wohl

Ich weiß nicht
Was ich morgen empfinden werde
Doch daß ich morgen empfinden werde
Ist mein wahres Leben

Und selbst wenn ich sterben sollte
Weiß ich dennoch
Daß ich morgen schreiben werde
Weil ich morgen empfinden werde
Weil ich morgen lieben werde
Lieben ist das Leben nach dem Tod

Ich schreibe keine Gedichte
Ich lasse Empfindungen zu
Sie erzählen mir ihre Geschichten
Und meine dazu.

Che Chidi Chukwumerije
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung

LIEBHABEN

Nicht alles, was Du liebst
Kannst Du haben
Nicht alles, was Du hast
Kannst Du lieben

Doch die Tatsache, daß Du liebst
Ist Dein allergrößtes Haben
Und alles, was Du hast,
Wirklich hast, ist Lieben.

Che Chidi Chukwumerije
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung

WIEDER

Vogel flieg
Dem gebrochenen Flügel
Entgegen
Der Schlag des Aufpralls
Der Krach des Brechens
Die Atemlosigkeit des freien Falls
Die harte Landung
Und dennoch freut sich das Herz.
Morgen fliegst Du wieder.
Ich auch.

– Che Chidi Chukwumerije.

TEILE DICH MIT MIR

Du bist wie Wasser
Du fließt in die Menschen widerstandslos hinein
Und veranlasst, daß sie sich Dir mit-teilen
Und das Mitgeteilte nimmst Du mit als Dein neues Teil

– Che Chidi Chukwumerije.

INNERLICH WEITER LEBEN

Erst kamen die Blumen
Lächelnde Glocken, spielende Kinder
Mädchen blühen auf
Jungen gehen die Augen auf
Das hier, ist das das Leben?

Dann kam eine stürmische Nacht
Wild tobte es hinter Fenstern
Träumend schwebte es in auftauenden Herzen
Ein gebrochenes Herz sinnt vor sich hin
Das hier, ist das das Lieben?

Dann thronte sich die Sonne, krönte sich der Verstand
Stählerne Augen
Stein entwachsen keine Blumen
Ruhiger Erwachsene, sicher, verschlossen
Das hier, das Leiden!

Enttäuschung – Verstand trifft Empfindung
Nachdenken – Langsam, wie der Abend
Fallen die Nachwirkungen der Schicksalsschläge
Irgendwann fällt mal Wahrheit auf
Das da, das war das Lernen…

Zuletzt nimmt zu der Mond, nicht ab…
Ferne Fragen funkeln wie rufende Geheimnisse, schwache Erinnerungen
Vorstufe einer Rückkehr, sehnende Wiederkehr zu Dir
Nimmt jetzt die Runde wieder ab?
Wie geht es weiter? Immer weiter.

– Che Chidi Chukwumerije.

VERLANGEN

Der neue Tag ist eingebrochen
Er kann nicht länger warten
Der Regen, den ich nachts gerochen
Erfüllt ihn mit Erwarten

Du merkst, wie er sich Mühe gibt
Die Führung zu übernehmen
Merkst auch, dass ihm dies nicht gelingt
Fängt an, sich leicht zu schämen

Ein rötlich Färben streift seine Wangen
Er zittert unbewusst
Eine Gänsehaut, ein dumpfes Verlangen
Ergreift seine Brust

Denn der Regen, der die Nacht
Enthäutete wie einen Lauch
Führt weiter mit seinem Liebesakt
Er will den Tag auch.

Che Chidi Chukwumerije.

UNSERE GRENZEN

Weit weit
Wie Ort des Urknalls
Kante des Geschehens
Leben
Weit weit dehnt sich
Weiter mein Herz aus
Jedes Herz, das ich einst rührte
Ist noch unterwegs nach Haus
Jeder Freund, der Abschied nahm
Spür ich noch hier Zuhaus

Wie weit noch, dein Ufer?
Bald gehen mir die Kräfte aus.

– Che Chidi Chukwumerije.

SONNE HEUTE

Du mein Herz schlägst
Ungewöhnlich stark heute
Tausend Vögel klirren und
Schirren im Wald
Ich komme bald.

Du mein Herz atmest
Mit ungewöhnlicher Schnelle
Wohin heute?
Zu aufgeregt, ich kann nicht essen
Zu aufgeregt und unterdessen
Dein Schlagen, Schlagen
Tausend Vögel klirren
Schirren im Wald
Kommst auch du bald?

Die Sonne ist nicht hell genug
Heller musst Du strahlen,
Und wenn du da oben bist
Dann warte, warte,
Ich komme bald.

 – Che Chidi Chukwumerije .