Die Angst ist ein Rätsel. Wer sie nicht hat, kann sie schwer kriegen. Wer sie hat, kann sie schwer besiegen. Eine unsichtbare Fessel. Wie man sie bekommt, das kann keiner wirklich sagen. Warum kann der eine, und der andere nicht, den Mut wagen? Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
Mut
SCHWERE ZEITEN
Ich sah leere Büroräume zum Vermieten freigegeben. Ich fragte mich, welche Träume dorthin einzuziehen streben. Wird die Wirtschaft mitspielen? Droht Rezession? Inflation? Wird der Markt ihren Zielen eine Chance geben zur Realisation? Jahre der Schule und Ausbildung liegen hinter den einen. Hinter andren Jahre der Hoffnung, Arbeitslosigkeit, Weinen. Ich sah leere Büroräume und hörte mein Herz ein Gebet aufbringen für die guten dorthin bald einziehenden Träume: Gutes Gelingen! Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
OHNE FILTER
Zeig mir Dein Gesicht ohne Filter. Der wärmste Filter ist trotzdem kälter. Je sanfter, weicher, glatter, desto rauher und älter. Je glänzender, desto matter, je perfekter, desto entstellter. Zeig mir das Unvollkommene in Dir, Du und ich wissen ganz genau: Das ist das Perfekteste in Dir. Das Echte ist das Beste an einer Frau. - Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
IM VERTRAUEN
Es ist erstaunlich wie viele Seiten, Innenseiten, wie viele Schichten, geschweige denn Geschichten, verschwiegene Geschichten, wie viele andere Menschen ein einziger Mensch unter seiner Oberfläche Dir heimlich und eifrig zeigen wird, nur weil Du seine innerste innigste Wunde linder behandeltest und zart bandagiertest ohne ihn zu brechen. - Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
AUFS HERZ HÖREN
Küssen geht über bereuen. Zwei Zungen zeigen immer den Weg zur Wahrheit; Auch wenn der Weg zurück führt in die Einsamkeit - Die Mutigen werden die Scheuen. Alles nehmen statt selektieren. Halbe Erkenntnisse nur kommen durch Nachdenken; Erlebnisse allein werden Dir die Klarheit schenken - Vollbringen geht über reflektieren. Alles geben und nicht immer dosieren. Die Wechselwirkung bringt gültigste Gewissheit; Nicht umsonst sagt uns ja die Volksweisheit: Probieren geht über studieren. - Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
DEINE LEBENSZEIT
Das Erdenleben, egal wie lang, ist immer kurz. Wohl dem, der es zum Leben benutzt. Du nennst einen Kriminell doch sein Herz ist auf dem rechten Fleck - Eine Prostituierte ist voller Güte doch Du bezeichnest sie als Dreck. Ein Drogenabhängiger sucht etwas - Hast Du Dich schonmal gefragt, was? Ein psychisch Verstörter fand etwas, unklar, verstörend, durch Nebel und Glas. Armut ist keine Charaktereigenschaft, Du kannst dennoch wie ein Stern leuchten. Flüchtlinge brauchen in unserem Land, was wir in ihrem Land bräuchten. Was empfindet der Obdachlose am ersten Tag seiner Obdachlosigkeit? Nicht viel trennt Menschen voneinander, mittels der Mittellosigkeit. Einsamkeit, Lügen und Gewalt oder Mitgefühl, Mut und Freiheit - Alle weinen im Geheimen. Leb auf, Kind: Deine Lebenszeit, das ist Deine Zeit. - Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
UND DENNOCH SIND SIE ZUHAUSE
Wie viele hocken, ungerne, jäh entwurzelte Blumen, Ameisen aus der Ferne, Menschen beim Reinzoomen, am ausgebombten Straßenrand, im Schatten makaber grinsender Struktur erschreckter Aus-bauten unter der Hand des Krieges kalt abstrakter Architektur? Und dennoch sind sie Zuhause. Denn nicht Bauten alleine sind Heimat. In Mitten des Krieges ist jede Pause jedem Patriot, ob Soldat ob Diplomat, gleich dem treuen Mutes neuen Frühling. Gebrochen ist erst der Geist, wenn er vom Kämpfer wurde zum Flüchtling, der ein Fremder mitleidig willkommen heißt. - Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
UNERFÜLLT
Ich muss allerdings gestehen Es fällt mir heute nichts ein Ich habe nichts Neues gesehen War den ganzen Tag allein Nicht ich der Mensch äußerer Gesichter - Sondern ich der innere Dichter. Wie ein Ich in meinem Ich saß ich Und sah mich vieles machen Manchmal ernst, manchmal spaßig Unterwegs mit meinen sieben Sachen - Und ich merkte nicht, daß ich mich beobachtete, Bis der Abend dämmerte und ich erwachte. So wenig leben wir, während wir leben, Das lebendige Ich versteckt sich. So wenig geben wir, wenn wir geben. Das lebendige Ich entdeckt sich erst am Ende seiner langen Lebensreise - Ein Junge unerfüllt im sterbenden Greise. - Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
ZUSAMMEN AUFLEBEN
Wir können zehntausend Meilen
im Gleichschritt still stehen,
zehntausend Gespräche führen
und uns nicht verstehen,
zehntausend Mal einander anschauen
ohne einander zu sehen
und trotzdem einfach so weitermachen
wie in zehntausend anderen Ehen.
Oder wir können einmal die Regeln brechen
und einmal die Sünde begehen,
auf die eigene Innere Stimme zu hören
und ehrlich den ehrlichen Weg zu gehen –
Wir können mutig gemeinsam kämpfen,
den Begriff „Leben“ umzudrehen
und etwas Neues machen
auf Erden aus unseren Ehen.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
GEISTER
Geister,
habe ich in Erfahrung gebracht,
sind einsame Menschen,
stecken und gefangen geblieben
jenseits unserer Gemeinsamkeit.
Wie einsam muß es sein
mitten unter Menschen zu leben,
und sie sehen Dich nicht
und sie hören Dich nicht
und sie fühlen Dich nicht…
Ist es nicht besser,
weiter zu gehen?
Ist es nicht manchmal besser,
Dich einfach zu lösen
und Deinen Weg weiter zu gehen?
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung


