DER LANGE WEG VON INNEN NACH AUSSEN

Wenn es Licht unendlich lang braucht,
Dich zu erreichen von einem anderen Gestirn,
wie lang braucht es, bis eine Empfindung
als Gedanken auftaucht in Deinem Gehirn?

Und wieviel länger noch, bis Du
den feinen Gedanken dann in Worte fassen kannst
und der Welt einen Hinweis darüber gibst,
was Du tief in Deinem Herzen wortlos planst?

Einen Hinweis aber nur, denn wieviel geht verloren
auf dem langen Weg aus den tiefen Fernen
des Geistes bis zum dichten Nebel des Verstandes,
größer als die Distanz im All zwischen den Sternen.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

DICHTEN OHNE ERWARTUNG

Ich habe gelernt, als Dichter
nie nach Ruhm zu trachten,
möchte ich meine Aufgabe,
das Innenleben zu beobachten,
richtig erfüllen, unbeeinflusst davon,
wie andere mich betrachten,
ob Geliebte, Käufer oder Spötter -
darauf darf ich nicht achten.

Wer zum Geist des Zukunftsmenschen
sprechen will, darf heute nichts erwarten -
weder von Freunden noch von Feinden -
sondern säen, dann gehen aus dem Garten.
Empfinden, schreiben, sterben und warten.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

TÄGLICH REIBEN

An dem Tag, an dem ich nicht schreibe 
Sterbe ich. Nahrung meinem Seelenleibe
Ist das Abschneiden täglich einer Scheibe
Des Unsichtbaren. Ich reibe, ich reibe
An der Lampe an dem Dschinn an dem Weibe
Das Bild, das entsteht; die Geister, die ich vertreibe
Das Ziel, das stets winkt, das ist meine Bleibe.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

REGE

Wer alles schon weiß
Der schreibt keine Gedichte
Er schreibt Vorträge

Nur Suchende schreiben Gedichte. 

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

MICH GAB ES SCHON

Mich gab es schon seit langem
Nicht alles Wesentliche ist laut
Nicht alles Laute ist wirklich da
Unter Schwarzer oder Weißer Haut

Nicht alles Lebendige ist sichtbar
Nicht alles Sichtbare ist echt
Mich gab es schon seit langem
Unsichtbare Haut ist nicht immer schlecht

Jetzt seht Ihr mich, jetzt seht Ihr mich nicht
Ein Deutscher mit fremdem Gesicht
Ein Fremder mit deutschem Gedicht.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

SUMMA SUMMARUM: SCHREIBEN

Am Leben bleiben durch Schreiben.
Das Empfundene zu denken reicht mir nicht.
Auch reden mag laut scheinen, schreiben stumm,
doch Schweigen umfasst das ganze Universum.
Summa Summarum:
Schreiben ist die Welt mir einverleiben,
ist mich der Welt hinterlassen – des Dichters Pflicht.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

DAS GEWICHT DER UNENDLICHEN LIEBE

Harte Kanten
Der Tisch, wie ein Rücken,
Trägt alle meine Bücher
Alle meine Gedanken
Und bricht nicht
Seine Kanten sind
Hart
Fest
Scharf
So schön ist er, der Tisch.

Weiche Kurven
Die Frau, wie eine Palme,
Erträgt alle meine Forderungen
Alle meine Träume
Und gibt nicht nach
Ihre Kurven sind
Weich
Fest
Zart
So schön ist sie, die Frau.

So schön ist er, der Tag
So schön ist er, der Abend
So schön ist sie, die Nacht.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

SCHREIBTAFEL

Die Bücher, die mich lesen –
Wachsen sie auch wegen mir?
Die Seiten, die mich wenden –
Verlassen oder suchen sie mich?
Die Zeilen, die mich schreiben –
Sind sie mit dem Ergebnis zufrieden?
Die Punkte, die mich halten –
Sammeln sie sich nur oder war‘s das?

Die Wege, die mich gehen –
Wann kommen sie endlich an?

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung

ES IST SEHR LAUT IN MIR

Für wen schreibst Du?
Gegen wen reibst Du Dich?
Wohin treibt Dich Dein Ohr für Menschenmeinungen?

Nichts ist einfacher
nichts ist mutiger und schwerer
als für Dich selbst zu schreiben

und dem Schweigen zu lauschen
und Dich darin schreibend auszutauschen
mit Deines Inneren wogendem Rauschen.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung

GESCHWEIGE DENN

Ich befinde und bewege mich plötzlich an einem Ort jenseits von Worten, und wie ich hierher gelang, kann ich nicht sagen.

Auf einmal sehe ich die Welt anders und so wie ich sehe, lässt sich nicht in Worte drücken, geschweige denn über Worte zum Ausdruck bringen.

Empfindungen. Bilder. Begriffe. Aufnehmen. Wissen. Lieben. Schweigen.

Che Chidi Chukwumerije.