Irgendwann schweigen wir und durch unser Schweigen zeigen wir das Vorhandensein von Welten tief in uns jenseits der gekonntesten Redekunst. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung
schweigen
SCHWEIGEND LABEN
Schweigen. Es ist still in mir heute - Wo seid Ihr alle, Leute? Der Fragesteller und der Antwortgeber, Der faule Genießer und der Streber, Der Bescheidener und der Angeber, Der Einzelgänger und der Kleber, Der Nichtstuer und der fleißige Weber, alle sind wie verschwunden heute Abend - hier genese ich, mich am Schweigen labend. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung
EIN LAUTES SCHWEIGEN
Viele Stimmen Und doch schweigen alle Menschenmengen Ein Markt, eine Halle Voll mit Menschen Voll mit Leere Lauter laute Stimmen Leichtigkeit und Schwere. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung
SELBSTSCHUTZ
Wir lachen, obwohl wir ernst sind - Wir lachen, weil wir ernsthaft sind - Zu ernstlich, zu schwer, zu intensiv, deshalb lachen wir, mildernd, defensiv. Wir schweigen, obwohl wir viel zu sagen hätten, denn Worte schmiegen oft die schwersten Ketten - Und sollten wir fallen, wer könnte uns noch retten? Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung
DER LÄRM
Der Lärm hat Körper, hat Gesicht, hat Stimme, hat Präsenz, hat Gewicht, hat System als Gesetz, als Kultur, durchdringt Gesellschaft und Natur, und ist unser Leben von Geburt bis zum Tod, von uns ausgehend, uns umhüllend, wie Od. Wo findet der Mensch für einen Augenblick das Schweigen, die Ruhe, der Seligkeit Glück, um zu erahnen und erfüllen sein wahres Geschick? Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung
SEELEN REDEN
Hinein hören in die Seelen der anderen ist hinein hören in die Chöre der eigenen Seele Ist schweigen und auf Sich wirken lassen Ist im Schweigen Liebe und Haß erfassen mit der Seele. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung
DIE INNERE POSITION
Ein Satz sagt viel viele Sätze nichts Des Redens Ziel Macht eines Gedichts Während unausgesprochen die innere Position entsteht wird über anderes gesprochen besprochen wie es einander geht. Doch irgendwo mittendrin fällt ein Wort oder Satz… des Gesprächs wahren Sinn in sich bergend wie einen Schatz. Einmal erwähnt und gehört verstanden und akzeptiert. - Weiter geht das Geplauder ungestört als wäre nichts passiert. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung
KLEINGEREDE
Er sitzt, schweigt. Hört er zu? – Oder
ist er in seinen Gedanken verloren?
Nippt ab und zu an seinem Soda,
sitzt ansonsten still, fast wie gefroren.
Warum setzt er sich abseits von uns?
Weil er Schwarz ist? Wir sind farbenblind.
Weil er älter ist? Erscheinen wir ihm zu klein?
Oder weil wir hier nur Frauen sind?
Sie flüstern und rätseln emsig weiter,
suchen im Äußeren nach Antworten –
Lokalangestellte? Oder Gastarbeiter?
Sollen wir ihn ignorieren oder supporten?
Niemand kommt auf die einfache Antwort,
denn die liegt in seinem Innenleben –
Er kann und mag einfach kein Smalltalk,
überlässt lieber den anderen das Reden.
Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
ICH SAGE NICHTS MEHR
Ich sage nichts mehr, sage ich und habe somit unendlich mehr gesagt als ich sagen sollte. Hätte ich lieber schweigen sollen, als ich gefragt wurde, was ich dazu sagen würde - Jede Äußerung ist eine schwere Bürde für jeden, der eine zu formulieren wagt. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
SCHWEIGEN, EINE SPRACHE
Schweigen, eine Sprache, Weltsprache, oft schwieriger zu lernen als Englisch oder Swahili, schwieriger zu lesen als Russisch, Chinesisch oder Arabisch, schwierig zu verstehen, zu deuten, und am schwierigsten eloquent zu sprechen. Eine Innenweltsprache. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
