NEUES WOHIN

Durchstöbere alte Denkkammer
Regale leer
Auf Schatzsuche tiefer tauchen
Innere Einkehr
In Empfindungsfluss hineinfallen
Es ist als wär
Ich neugeboren. Neues Wohin
Aus altem Woher
Weshalb ich immer dann wenn ich
Mich nicht erklär
Richtig liege, ist meins. Aufgetaut
Ich schmerze sehr
Sinken und steigen gleichzeitig
Leicht wenn schwer
Das Fließen übernimmt die Kontrolle
Und will Meer.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

UNGESCHRIEBEN

Ich trank Dich
wurde nicht voll
Leckte Dich
befriedigte mich nicht
Dich?
Mach weiter
Tiefer eindringen schmeckt mir nicht
Ich bin nicht satt
Ich wurde nicht fündig
Was ich suche, ist nicht was ich sage
daß ich suche.
Um mich zu verstehen musst Du
meine ungeschriebenen Gedichte
zweimal lesen
Nicht die geschriebenen, die gelogenen.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

KLARHEIT WIRD NÄHE STETS BESTRAFEN

So viele Antworten in der Welt,
wo fängt man an zu fragen?
Wo fängt man an, Mensch zu sein
und als Mensch sich zu betragen?
Kaum einen Gruß getauscht,
schon klingt er hohl und missverstanden;
Kaum einen Kuss geteilt,
schon schmeckt er alt und gestanden;
Kaum einen Fluss überquert,
an dem unsere Sehnsüchte sich trafen,
schon sind wir uns fremder als je zuvor –
Klarheit wird Nähe stets bestrafen.
Alle meine Fragen an Dich
kamen beantwortet zurück;
Alle Deine Antworten an mich
machten mich ein bisschen verrückt.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

HÖCHSTSPANNUNGSLEITER

Heute bist Du meine Muse
Die Ungereimtheiten in Dir
Die Uneinigkeit zwischen Deinem Kopf
und Deinem Herzen ist die schönste Spannung
die ich je gespürt habe –
sie ist eine Hochspannungsleiter,
durchströmt mich mit einem bebenden Warten
auf Entladung –
Danke für die Einladung.
Ladestation: Mensch. Sehnender Mensch.

Zu wissen, ich labe mich an Deiner Wunde
und das Laben reinigt die Wunde –
Herz und Kopf versöhnen sich…
Die Spannung läßt nach…
Die Wunde schließt sich.
Eine Weile muss nun ich entbehren, leiden –
Mein Durst wird wieder reif, dürstet…
Und wenn ich Dich dürstenden Auges anschaue
werden Dir Kopf und Herz wieder uneinig,
die spendende Spannung ist wieder da.

Hallo, Muse.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

TRAUMWEG

Neulich entdeckte ich einen Pfad,
der durch mein Gedächtnis lief –
Er schien eine Erinnerung zu wecken,
die schon lange in mir schlief
und nun nach mir leise rief.

Neugierig folgte ich dem Pfad
im Gedächtnis und es lichtete sich
nur langsam mit jedem vorsichtigen Schritt.
Sein unbekanntes Ziel blieb nebelig,
mir so verschleiert wie mein altes Ich.

Ich lag im Bett, Augen zu, still
und lief im Gedächtnis immer weiter –
Plötzlich sah ich vor mir stehend, und
hörte … ein Pferd, eine Stimme, ein Reiter:
Folgst Du dem Weg oder dem Wegbereiter?

Der Pfad verschwand aus meinem Kopf
und die Frage nahm seinen Platz.
Ich erwachte aus meinem Tagtraum
und wiederholte mehrmals diesen Satz
und hütete es in meinem Herz wie einen Schatz.

– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

DER INNERE NAVIGATOR

In der Landschaft meiner Gedanken
fliege ich, ein Flugzeug,
und ich fliege durch sie hindurch

Denn ich muß tausend Gedanken ignorieren
um den einen zu finden,
der mich unaufhörlich ruft

Ich sehe Euch alle
und ich liebe Euch alle
dennoch muss ich Euch alle verlassen.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung