GENERATIONENÜBERGREIFEND

Wir fangen bei jeder neuen Generation
wieder von Null an,
als hätten wir nicht bereits
in der jeweils vorherigen Generation
alles gegen Hass getan
und seinen Anpassungsanreiz.

Sisyphus war kein Mensch,
er ist die Menschheitsgeschichte -
Die Hartnäckigkeit unserer Tendenz
zu reinkarnieren unsere Bösewichte.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

DAS NEUE, JA

Und dann…
begann
irgendwann
das neue Jahr
Nicht ganz am 1. Januar
weiß ich fürwahr
weil ich -
und das Neujahr gefühlt nicht -
da war.
Also vielleicht davor?
Ob das alte Jahr Zeit verlor?
Und das neue schon alt war?
Oder erst in den Tagen danach…
denn in den Tagen danach
ist keiner mehr wach.
Das Tor steht unbewacht
und wie ein Dieb in der Nacht
beginnt die neue Zeit.
Bist Du bereit?
Es ist soweit.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

MORGEN IST HEUTE

Ich stellte mir heute die Zukunft vor
Sie war ein Haus des Friedens
Ein Lächeln, eine Fähigkeit zu verstehen
Menschenarten gleichartig und verschieden

Dann stellte sich mir heute die Zukunft vor
Sie war zwei Menschen
Einer nennte mich Engel, einer mich Teufel
Gegen beide mußte ich kämpfen

Jetzt stelle ich mir keine Zukunft mehr vor
Die Gegenwart ist viel wichtiger
Viel witziger, viel hitziger, viel flüssiger
Viel farbiger, häufiger, und viel wirklicher.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

BESINNE DICH DES WESENTLICHEN

Und schon ist die Zeit vorüber
die mir geschenkt wurde -
die Zeit eines Tages. Worüber
ärgerte ich mich? Absurde
Dinge, gar nicht nennenswert.
Jetzt ist der Moment zu reflektieren -
Was hat mich der Tag gelehrt?
Lerne, Bruder, besser zu priorisieren.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

SCHRITT FÜR SCHRITT

Der Tag hat nicht genug Stunden,
die Welt nicht genug Menschen,
die Menschenwelt nicht genug Vielfalt
um alles, was mich treibt, nach dem
ich mich sehne, alles,
das ich täglich angehen, erleben
und erreichen muss, zu umfangen.

Und dann richtet am Ende eines
jeden vollen Tages meine Hoffnung
sich auf den nächsten Tag, den nächsten
Menschen, die nächste Welt…
So treibt und lotst mich das Leben
durch die Korridore der Ewigkeit –
im steten Ringen mit dem Hier-und-Jetzt.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

MAHL ZEIT

Wäre die Zeit eine Mahlzeit
Wäre mein Appetit auf die Ewigkeit
In jedem Moment gestillt,
Mein Heißhunger nach dem Moment
Für alle Ewigkeit unerfüllt.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

ZEIT OHNE MAHL

Wann kommt die nächste Mahlzeit
wenn die Zeit selbst zum Mahl wird?
Wer hat sie auf deren Menükarte serviert,
bezahlt, bekommen, in Besitz genommen,
aufgefressen, genossen? Zeit unseres Lebens.
Unterdessen wächst der Hunger
und größer und größer die Zeit ohne Mahl,
egal, wer die letzte Wahl gewonnen hat.
Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

ALLE ZEIT DER WELT

Ich habe keine Zeit, die Welt zu sehen
Aber ich habe Zeit, Deine Welt zu sehen
Und Deine Welt ist groß genug
Um meine Tage und Nächte
Und Herz
zu füllen
So lange ich noch Zeit habe
So lange ich noch ich bin, der Dich liebe
So lange ich noch lebe.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

KEINE ZEIT SPÄTER

Keine Zeit später
diese Gedanken zu lesen
und nieder zu schreiben
was einst nie gewesen.

Keine Zeit später
mich zu suchen und finden
und Nicht-empfundenes
nachträglich zu empfinden.

Keine Zeit später
später Zeit zu haben
Vergangene Gegenwart aufzunehmen
als wären wir noch Knaben.

Ich habe heute keine Zeit
gestrig Versäumtes nachzuholen.
Morgen bringt neue Blumen.
Heut Verpasstes ist der Zeit gestohlen.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

DESHALB GEDICHTE

Mir gehen die leeren Seiten aus,
auf die ich meine unzähligen Geschichten
schreiben muß, denn mein Licht geht aus.
Deshalb verdichte ich sie in Gedichten.

Mir werden die Erinnerungen mehr,
die Zeit weniger um sie nieder zu schreiben.
Irgendwann habe ich keine Zeit mehr
für Geschichten, von denen keine zurück bleiben.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung