So oft stehen zwei Menschen gegenüber von einander und zwischen ihnen liegen Welten von Nationen, Kulturen, Religionen, Ansichten wie Filter in ihren Augen während sie Hallo Guten Tag Wie geht‘s sagen und stundenlang, tagelang, wochenlang, monatelang, jahrelang, ja, sogar jahrzehntelang… mit und neben einander arbeiten… mit Filtern in ihren Augen, in ihren Herzen. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
Misstrauen
WOZU DIE BILLIONEN WAFFEN
Wozu die Billionen Waffen? Sind wir
so viele, daß wir es leisten können
alle umzubringen und es gäbe
noch Menschen genug übrig? Entmenschlicht. Primitiv ohne Ende.
Oder besteht die Welt nur aus Feinden?
Wozu die Billionen Regeln? Werden
so viele gesteuert Roboter gebraucht,
um die Menschen in Schach zu halten?
Die Menschen, die selbst die Roboter
einst ausdachten, aus sich gebaren
und sich mit ihnen endlich ersetzten.
Wozu die Billionen Grenzen? Sind wir
einander so gegenseitig fremd? Wir
leben mit Fremden und die Fremden sind
wir. Wir leben mit uns selbst. Ausgegrenzte
Nachbarn, eingekesseltes Innenleben,
Mobilität beschränkt auf die Angstgrenze.
Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
DIE GLÜCKSFALLE
Ob Ihr es je verstehet, Ihr, die mich jetzt zum ersten Mal sehet, wie offen einst ich war, jedes Wort wahr, meine Seele ein See glasklar. So offen, so vertrauend, so ehrlich, Ich erinnere mich, meine Mutter fürchtete sich für mich und sagte mir sorgenvoll endlich: Sohn… diese Welt… schütze Dich. Und als die Schläge kamen, langsam lernte ich, Vorsicht sei tatsächlich ratsam- Doch mit Vorsicht kamen Masken und Mistrauen; Gift, denn meine Stärke kam eben vom Vertrauen. Jetzt lebt jeder lang und sicher und unglücklich in seinem Käfig und fragt sich nachdenklich, ob es doch nicht ratsamer ist, ungeschützt und offen zu leben, egal die Frist. Gerne würde ich das Gedicht hier beenden, liesse das Glück ohne Schutz sich wirklich fänden.. Tut es aber nicht, das wissen wir alle - Der Weg zum Glück birgt in sich diese Falle. - Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
DIE ANTIBLUME

Wie eine Antiblume
Ist der Hass erneut aufgeblüht
Er wurzelt mitten im Seelenreichtum
Aller Kulturen; gedeiht; versprüht
Den Duft der Angst und Irrtümer
Und vergiftet Verstand und Gemüt.
Und blüht mit Misstrauen und Neid
Im Antiblumendreiklang
Die Diplomatie ist ihr nettes Kleid
Systeme stehen unter ihrem Zugzwang
Und – Ihr ahnt es – es folgt das Leid
Wieder, ihr Höhepunkt, ihr Abgesang.
– Che Chidi Chukwumerije
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung
SPIEGEL
Im Delphitempel in Apollo
Standen die Worte feierlich
Vor tausenden von Jahren:
Mensch, kenne Dich!
Dann kam Jesus Christus
Gottessohn, Gottesliebe und Held
Und lehrte den Menschen einfach:
Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst!
Der Mensch würfelte beides zusammen
Erfand Internet, IT und Digitalnetz
Cyberaugen, Sozialmedien und Wanzen
Und sagte zu sich selbst:
Nächstenliebe ist schwer
Sich selbst kennenlernen schmerzlich;
Lieber, zeige Dich falsch
Doch kenne Deinen Nachbarn gänzlich!
– Che Chidi Chukwumerije
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung
WUNDE
Ihr wurde gewiss
Ich würde sie irgendwann verlassen
Deshalb hielt sie bereits
Den Ersatz bereit, für den Fall
Denn alleine kann sie nicht sein –
Das ist ihre tiefste Wunde.
Daß ich sie für nur eine kurze Weile verlassen würde
Um mich und sie wieder zu finden
Wussten wir beide nicht
Aber als ich zurück kehrte, befreit und bereit
War sie bereits weg –
Denn sie kann nicht alleine sein.
Rückblicke besiegeln die Flucht
Die plötzliche Abreise war längst gebucht
Die Ängste der Sehnsucht.
– Che Chidi Chukwumerije.
