SÄEN UND WARTEN

Guten Morgen
feuchter, benebelter,
Traum betrunkener Tag -
Alle Samen,
die ich, Beseelter,
heute zu säen mag,

werden ungestört
tief in die lautlose Erde
des weichen Herzens dringen,
unmerklich, um dort
zu warten, bis Licht es werde
morgen und Früchte bringen.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

NEBELTAL

Nebental
Spiegelst das All
Ohne Schall
Und ohne Widerhall.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

GUTEN MORGEN

Alles alles
Normales
Nominales
Alles halt
Mit schwarzen Streichelstreifen schuhsohlengeschmuste helle sanftbraune Stuhlbeine
Weich gesessene Ledersessel
Denn der Herbst schleicht da draußen um das Haus herum
Durch den Nebel
Tritt mir Lautlos entgegen
Ich übertöne es mit abstrakter Automusik
Die Reifen flüstern strassestrasse
Molltöne öffnen mir ein Seitenohr
Bahnstreik. Frühschicht. Mal wieder Autokuscheln mit Schal
Mal wieder gemeinsam reisen mit
Umrissen und Lautlos und Musik lau in Hinterstund –
Bis ich aus dem Nebel hervortrete
Alles normal. Guten Morgen, Herr Kollege.

– Che Chidi Chukwumerije.

DICHTERNEBEL

Ich bin nur ein Dichter
Meine Worte gehen auf Reise
Ziehen sich aus
Wie ausziehbare Fernrohre
Ziehen sich in die Länge
Lassen auf Ferne zurück blicken
Alles wirkt nah, greifbar
Doch streckst Du die Hände danach aus
Begreifst Du
Daß das die Art der Dichtung ist
Dinge nah zu bringen und dennoch
Fern zu halten.

Mehr als ich Prosa lese und liebe
Verschlinge ich unersättlich Gedichte
Gnadenlos wie Messer
Stechen sie tief ein
Scheu wie Rehe
Lassen sie sich nicht
Fassen.

– Che Chidi Chukwumerije.

GLASSPIELE

Das Fenster ist ein Klischee
Bevor ich es zerschlage
Rolle ich es lieber vorsichtig runter
Morgen könnte ich es wieder gebrauchen

Nicht umsonst fahren meine Gedanken
In unterschiedlichen Richtungen
Nachts durch die Stadt
Vorhänge zu, Fenster auf und drauf

Da begegnete ich Dir unter einer Brücke
Innige Küsse, brennende bangende Herzen
Ehrlichkeit ist ein Augenblick
Einer kurzen flüchtigen Umarmung

Doch das Fenster ist ein Klischee
Wir fahren an einander vorbei
Beide gucken weg
Und alle schauen zu, daß es klappt.

– Che Chidi Chukwumerije.

FERNERHIN

Flashback: Auszug aus meinem Interview zum lyrischen Mittwoch 15.
10. Juli, 2013), vor 3 Jahren.

Ich sehe in der Ferne
Eine Linie grüner Bäume
Am anderen Ufer

Einen unklaren Umriss
Nebelumgeben
Eine sagenumwobene ferne Zeit
In der Vergangenheit oder in der Zukunft
Aber nicht in der Gegenwart

Gegenwart ist dieser Tisch
Gegenwart ist das vorbeiziehende Kanu
Gegenwart ist die Lagune, das Ufergras, meine Sehnsucht
Ich kann sie alle tasten, schmecken
Und verstehen

Doch die grünen Träume dort in der Ferne
Sind ungewiss –
Sie sind das Schlummernde in mir…

– Che Chidi Chukwumerije.

Interview zum lyrischen Mittwoch 15.
– beim Sebastian Schmidt von Textbasis.