Du stellst mich auf den Pranger
Ich bin täglich Vater
täglich hoch schwanger
täglich gebärende Mutter
und buchstäblich Dein Handlanger.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
Du stellst mich auf den Pranger
Ich bin täglich Vater
täglich hoch schwanger
täglich gebärende Mutter
und buchstäblich Dein Handlanger.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
Dein innerer Fluss
Er muss er muss
fließen …
Meine Finger
in Deiner Wunde
richten Deinen Widerstand
zugrunde
Krass, wie nass das Gras wird
Der Regen, dagegen, wird verrückt
Kontrollverlust, befreit von Frust
Dichtung in jeder Richtung erlöst sich
Zum inneren Fluss, der fließen muss.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
Und meine Gedanken waren eine Leinwand
Und ich schaute auf sie und fand
Darauf den Eindruck einer fremden Hand.
War es mein Verstand
Der meinen Geist nicht verstand?
Oder wird jeder Dichter – außer Rand und Band –
Lediglich geführt von Geisterhand?
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
Ich stehe häufig unter einem Baume
In einem inneren Bilde
Vor meinem dritten Auge
Vor einer kleinen niedlichen Holzbrücke
Die über einem Bach gebogen liegt
Auf der anderen Seite des Bachs
Steht ein schönes Haus
Ich sehe es nicht, ich spüre es nur.
Da wohne ich –
Der Bach ist die Dichtung
Die Brücke ist meine Sehnsucht
Der Baum ist der Tag, der Augenblick
Und wenn ich die Brücke überquert habe
Und wenn ich das Gedicht geschrieben habe
Gehe ich nach Haus.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung
Heute bin ich hart
Wie Stein –
Es geht nichts raus
Es kommt nichts rein
Heute bin ich hart
Wie Stein –
Ich brauche jemanden
Der mich trifft
Und mich bricht
Ich brauche jemanden
Der mich zerbricht –
Denn der harte Mensch
Der vor Schmerz schreien wird
Das bin ich nicht
Ich bin gefangen hier drinnen
Und habe meine Stimme verloren.
– Che Chidi Chukwumerije
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung
Straßenmusiker und Straßendichter
Stadtgeschichten und Straßenlichter
Salz und Pfeffer und Stadtgesichter
Abwesend wenn anwesend
Anwesend wenn abwesend
Der Stadtkörper und der Stadtverstand auch
Laufen täglich herum mit vollem Bauch
Doch die Stadtseele hungert bis ein Hauch
Von Kunst und Mut und Kindlichkeit
Am Straßenrand sie sachte streift.
– Che Chidi Chukwumerije
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung
Einer muß das Verschlüßelte
Erst entschlüsseln (können) (wollen) (müssen)
Und darin liegt die Kunst.
Die Dichtung ist ein stilles Bild
Die in Richtung einer Realität zeigt
Die jenseits der Dichtung liegt.
Sich in die Dichtung zu verlieben
An der Dichtung zu hängen
Und bei der Dichtung stehen zu bleiben
Ohne in die darüber und dahinter
Lebende Realität hinein zu gehen,
Ein Teil dessen unvollkommen, unvollständig
Und meistens fehlerhaft VERDICHTET wurde
Als Dichtung ins Gedicht,
Wäre:
Der Dichtung ihren wahren Sinn und
Wahren Zweck zu berauben;
Wäre:
Ihr Dasein vergebens und umsonst zu machen
Fast wäre es besser, das Gedicht
Wurde nie geschrieben.
Die Dichtung fungiert und funktioniert
In ihrer höchsten Form
Am besten als Botschafter, als Zeigefinger
Um das Vorhandensein dessen zu bezeugen
Und darauf hinzuweisen:
Ein Ort und eine Zeit
Und eine Beschaffenheit und ein Sein
Wo das, was schwach in dem Gedicht
Zu ahnen ist,
Keine Dichtung ist
Sondern normale und echte
Realität.
Die Wirklichkeit.
– Che Chidi Chukwumerije
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung
Ein Gedicht
Pures Gewicht
Einsicht und Aussicht
Ein Gericht
Aber nicht.
Des Dichters Pflicht
Des Richters Licht
Schlichtes Gesicht
Ein Gericht
Aber nicht.
Etwas bricht
Jemand spricht
Eine kurze Nachtschicht
Lose und dicht
Pures Gewicht
Ein Gedicht.
– Che Chidi Chukwumerije.
Zart geht das
Bezwingen kann man es nicht
Empfangen nur
Kann man ein Gedicht
Das war zu hart
Denke daran, das ist eine Blume
Fest aber zart
Werbe Dich um die Blume
Und wenn ich scheide
Bleibe ich
Und wenn ich bleibe
Scheide ich
Aber nie aber nie leide ich
Scheide oder bleibe ich
So geht das
Bestimmen kann man es nicht
Empfinden nur
Kann man ein Gedicht.
– che chidi chukwumerije.
Ich ging einen langen Pfad entlang
und alles, was bekannt aussah
war neu und unbekannt. Jeder Klang
klang anders, die Ferne lag so nah
trieb die Nähe weit weit weg
und so ähnlich gewesen ist mein Weg.
Weit weit weg, entfernt, entrückt
kommt dir meine Nähe vor…
Wärest Du – entfernte ich mich – beglückt?
Zögest du meiner Nähe meine Ferne vor?
Du weinest, warum? Weiter zieht sich
der begonnene Weg. Man schaut, sieht sich
erkennt sich nicht. Neulich war eben
die Sonne der Wind, kalt und unruhig –
Unruhig, diese Flamme, ein unermüdendes Streben
Was unruhig aussah, ist ruhig.
– Che Chidi Chukwumerije.